Nizza, Sommerurlaub, Tasse gesehen, harte Verhandlungen mit dem süßen Flohmarktverkäufer, Kaffee aus dieser Tasse im Sommer auf dem Balkon, im Winter mit Momo auf der Couch, dann eines Tages: rauschende WG-Party, die Tasse fällt herunter, der Henkel bricht ab, seither: Stiftebecher.
Vom Erhalt, über die gemeinsamen Erlebnisse bis hin zum heutigen Status Quo - fast jeder Gegenstand lässt einen Kurzfilm in unserem Kopf ablaufen. Eine Liebesgeschichte, eine Beziehungsgeschichte. Eine Beziehung die - Achtung, könnte weh tun - immer einseitig ist. Denn dein Stiftebecher hat keine Beziehung zu dir. Ihm ist egal, ob er bei dir steht oder bei Beate aus Buxtehude. Und dir sind die anderen Tassen die noch in Nizza auf dem Flohmarkt stehen ja auch egal.
Es sind unsere Gefühle, die die Dinge wertvoll für uns machen. Diese Gefühle lassen uns festhalten und machen eine Trennung so schwierig.
Schauen wir uns mal genauer an, welche Gefühle da so im Spiel sein können. Und wo sie sich abspielen. Liegen die Wurzeln in der Vergangenheit oder hält die ungewisse Zukunft dich davon ab, dich zu trennen?
Die Klassiker
Sentimentalität
Typischer Satz “Aber das ist ein Erinnerungsstück”
Der Stiftebecher aus der Einleitung ist ein klassisches Beispiel. In jedem Haushalt gibt es Hunderte davon zu finden. Das kann das T-Shirt sein, das du anhattest, als du deine/n Liebste/n kennengelernt hast, das kann ein - meistens sind es mehrere - Ordner mit Studienunterlagen sein, die dich an deine wilde Studentenzeit erinnern, ein Buch dass du von einer besonderen Person geschenkt bekommen hast, ein Haushaltsgerät das die Trauzeugin euch zur Hochzeit geschenkt hat.
Diese Emotion ist klar in der Geschichte, in der Vergangenheit des Gegenstands - Korrektur: In der Vergangenheit die du dem Gegenstand gegeben hast - der Gegenstand hat keine Vergangenheit - verankert. Benötigst du den Gegenstand, um dich an die Erlebnisse und Personen zu erinnern oder sind diese Gefühle in dir drin, auch ohne den Gegenstand, der die Erinnerung hervorruft? Und wie sieht es aktuell in der Gegenwart aus? Wie ist die Beziehung mit deiner/m Liebsten? Wie hast du dich seit der Studienzeit weiterentwickelt, wo stehst du jetzt? Wie ist die Beziehung zur Trauzeugin - braucht eure Freundschaft den Smoothiemaker um weiter zu bestehen?
Für alle Fälle
Ein typischer Satz lautet: “Aber was wenn ich's dann doch mal brauch’?”
Der Gegenstand der so verteidigt wird ist noch gut in Schuss. Trotzdem wurde er seit Jahren nicht benutzt.
Diese emotionale Unsicherheit liegt in der Zukunft. Was wäre wenn…? Ja, was würde denn im schlimmsten Fall passieren? Was würde es dich kosten - finanziell und zeitlich, diesen Gegenstand wieder anzuschaffen, oder auszuleihen, wenn du ihn jetzt weg gibst und irgendwann merkst, dass du ihn nochmal brauchst? Bist du bereit, dieses Risiko einzugehen? Oder möchtest du für diese Eventualität wertvollen Platz in deiner Wohnung hergeben?
Der Sparfuchs
Typischer Satz: “aber das war doch mal so teuer”.
Die schlechte Nachricht zuerst: Das Geld ist weg. Egal ob du den Gegenstand weiter besitzt oder nicht. Nur wenn du ihn auch tatsächlich benutzt, machst du Gebrauch von deiner hohen Ausgabe. Wenn du aber bereits ins Nachdenken gekommen bist, ob du diesen Gegenstand gehen lassen kannst, dann wirst du ihn wohl nicht hundertprozentig von seiner Notwendigkeit überzeugt sein.
Eventuell lässt er sich noch verkaufen? Sollte der Wert gesunken sein, obwohl du damals so viel Geld dafür ausgegeben hast, so macht es das für einen Sparfuchs nur noch schwerer. Hier hilft leider nur MA (“Musch akzeptiere!”). Dadurch dass du den Gegenstand weiter behältst, kommt das ausgegebene Geld nicht zurück und auch der Wert steigt nicht. “Halt stop!” wirfst du ein “es ist doch möglich, dass das irgendwann wieder an Wert gewinnt und ich es dann teuer verkaufen kann.” Das ist richtig. Dann musst du entscheiden, ob es sich den Platz, den es bis dahin einnimmt, auch verdienen wird.
Ein anderes Sparfuchs-Phänomen: Dinge die in unseren Kellern, Dachböden und ganz hinten in den Schränken lagern, mit der Begründung: Das ist doch noch gut, das kann man schon nochmal anziehen/benutzen/reparieren. Denn, es wegzugeben, obwohl es noch gut ist, wäre undankbar und verschwenderisch. Wirklich verschwenderisch ist es, Dinge zu besitzen und sie nicht zu nutzen. Andere würden sich darüber freuen, dieses Teil zu besitzen und es tatsächlich zu gebrauchen. Dieses Teil zu spenden, das ist Dankbarkeit und Wertschätzung.
Die Gründe kann man hier zeitlich nicht klar verorten. Die Kosten der Anschaffung liegen in der Vergangenheit, die hoffnungsvolle Aussicht auf einen guten Verkauf in der Zukunft.
In diesem Video kannst du mich beim Schuhe ausmisten begleiten. Ich verrate dir hier meine Blockaden und wie ich sie gelöst habe.
Die Niederen
Statussymbol
Typischer Gedanke: “Ich will doch einfach nur dazugehören.”
Blockierende Gefühle aus dieser Kategorie sind oft auch mit “das war doch mal teuer” verknüpft. Der Unterschied liegt darin, dass uns nicht das finanzielle Investment am Loslassen hindert, sondern der von uns erhoffte Effekt unserer Wirkung auf andere. Beispielsweise eine teure handgefertigte Marken-Armbanduhr, die schon von Weitem als Luxusartikel identifiziert werden kann: Sie kann dem Zweck dienen, deiner Umwelt zu zeigen, dass du dir etwas leisten kannst, dass du über das nötige Kleingeld verfügst und dadurch der Oberschicht zugeordnet wirst. Gefällt dir diese Uhr denn wirklich, ist sie angenehm zu tragen, passt sie zu deiner Garderobe?
Ein anderes Beispiel: Ein Geschirrservice mit Goldrand. Du magst weder das Design, noch passen die Teller in irgendeiner Weise zum Rest deiner Einrichtung. Dass du sie von Hand abspülen musst, macht das alles nicht besser. Dennoch hältst du an dem Set fest, denn wenn Besuch kommt wird natürlich das güldene Geschirr aufgetischt. Man will ja zeigen, was man hat.
Du, dein praktikabler Alltag und dein Wohlfühlen in deinen vier Wänden ist wichtiger als das, was andere von dir denken oder welchem Status sie dich zuteilen.
Dein Ziel, gesellschaftlich anerkannt zu werden liegt in der Zukunft. Der Grund dafür wahrscheinlich eher in deiner Vergangenheit. Was hast du erreicht, wofür bist du dankbar, worauf bist du stolz - das ist Anerkennung und die musst du dir als erstes selbst geben.
Konkurrenzdenken / Territorialdenken
Typischer Gedanke: “Meins! Haben will, haben, haben, haben!”
Tief drin sind wir immer noch Neandertaler. Aus der steinzeitlichen Bedrohung, zu spät am Brombeerstrauch anzukommen und hungern zu müssen ist die Angst geworden, dass andere etwas bekommen und wir nicht. Also sammeln, jagen und häufen wir an.
“Nur noch 100 Stück verfügbar” oder das Label “limited edition” dockt in unserem Neadertalergehirn genau dort an.
Solche Teile, die nur wenig andere Leute auch haben, dann gehen zu lassen - das ist schwierig. Aber welchen Vorteil hast du vom Besitz und welche Nachteile? Besitzen und benutzen das sind zwei paar Schuhe. Was soll deine Wohnung sein? Lager und Museum oder Lebensraum?
Identität
Typischer Gedanke: “Ich wär so gern so schön/schlau/kreativ wie du!”
Wenn eine Entscheidung an deinem Ego kratzt, hast du es mit der emotionalen Überschrift “Identität” zu tun. Das kann zum einen sein, dass du gerne wie jemand anders wärst. “Die Schuhe sehen an ihr so toll aus. Wenn ich die auch habe, sehe ich genauso toll aus.” Genau so funktioniert übrigens Werbung.
Oder es kann sich auch nur um eine Wunschvorstellung (“Fantasy you”) von dir selbst handeln. Jemand der du gerne wärst, mit Hobbys, Eigenschaften und Gewohnheiten die du bewunderst. Eine ungenutzte Staffelei, Leinwände, Ölfarben und jede Menge Pinsel in der hintersten Regalecke, könnten zum Beispiel aus dem Wunsch, kreativer zu sein, ein begnadeter Künstler zu werden, resultieren. Oder eingestaubte Fitnessgeräte aus deinem Fantasy you das gerne ein “sporty girl” wäre.
Warum ist bisher nichts daraus geworden? Wie lange möchtest du noch warten? Fang heute damit an, oder verabschiede dich von deiner Idee von dir selbst und somit auch von diesen Dingen.
Mehr ist besser
Typischer Gedanke: “Sicher ist sicher, man weiß nie was kommt”
Eindeutig eine Zukunftsemotion. Die rote Strickjacke sitzt so gut, da kauf ich sie doch gleich noch in blau und in grau. So hab ich eine größere Auswahl, immer direkt verfügbar, griffbereit daheim im Schrank. Wer weiß was ich die nächsten Jahre so im Schrank hab.
Wir leben in einer Gesellschaft und in einer Zeit, in der wir innerhalb von zwei Tagen alles Erdenkliche direkt vor die Haustür geliefert bekommen können. Es gibt keinen Grund, aus deiner Wohnung ein Warenlager zu machen. Raus mit den Vorräten, Platz für dein aktuelles Leben.
Die Holden
Nachhaltigkeit
Typischer Gedanke “Wegwerfen ist schlecht für die Umwelt”
Ich nenne es gerne auch das Plastiktüten-Paradoxon. Die umweltbewusstesten Menschen haben die meisten Plastiktüten zu hause. Keiner von uns ist perfekt. Hin und wieder vergessen wir, zum einkaufen unsere Stofftasche mitzunehmen. Und da Oktopusse als Haus- und Assistenztiere, korrekterweise, leider nicht erlaubt sind, kaufen wir eben diese eine Plastiktüte an der Kasse im Supermarkt.
Und diese süße Lillifee-Tasse, den praktischen Weihnachtsbaum aus Plastik und nur dieses eine Trampolin für den Garten - hält ja alles bestimmt 15 Jahre. Hält bestimmt so lange, wird aber nicht so lange von uns benutzt. Aber entsorgen geht ja nun auch nicht - wegen der Umwelt!!
Das schlechte Gewissen, der Umwelt zu schaden, wenn wir die Plastikartikel entsorgen hält uns davon ab. Dabei muss es ja nicht immer gleich entsorgt werden. Spenden, verschenken oder verkaufen sind ja auch noch Optionen.
Mit dem Nachhaltigkeitsgedanken drangsalieren wir uns für eine Entscheidung die wir in der Vergangenheit getroffen haben. In Zukunft gilt es genau dort anzusetzen - bereits beim Kauf darüber nachzudenken, wie eine verantwortungsvolle Entsorgung aussehen könnte.
Wohin nun mit den Plastiktüten? Ein häufiger Irrtum: Als Mülltüte verwendet erfüllt sie nochmal einen Zweck und das ist umweltfreundlich. Falsch. Einkaufstüten aus Plastik sind wesentlich dicker als herkömmliche Mülltüten und belasten dadurch schon in der Herstellung und in der Müllverbrennung die Umwelt enorm. Eine Plastiktüte solltest du also so lange wie möglich benutzen und dann über den gelben Sack entsorgen.
Schnäppchen
Typischer Gedanke: “Da war ich richtig clever und schnell”
Wenn wir ein Schnäppchen machen fühlen wir uns stark, überlegen, schlau - wir haben die Kontrolle. Waren schneller als die anderen und zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Es ist nichts falsch daran, sich über ein Schnäppchen zu freuen. Aber das ein Teil mal ein Schnäppchen war, sollte nicht der Grund sein, es ewig zu behalten. Wenn du es nicht mehr benutzt, aber dennoch behältst, dann vermutlich weil es dir deine vermeintliche Überlegenheit bestätigt.
Schon beim einkaufen kannst du dich in Zukunft fragen, ob du das Teil auch kaufen würdest, wenn es nicht reduziert wäre.
Werbeversprechen
Typischer Gedanke: “Ich muss es nur noch benutzen”
Barfußschuhe, der Fastenkur-Ratgeber, die Anti Aging Ampullen - alle versprechen sie, dich gesünder, schlanker, schöner zu machen. Wenn du sie denn auch nutzt. In erster Linie hast du hier nicht das Produkt gekauft, sondern das Versprechen das dir gemacht wurde. Dieses versprochene Ziel möchtest du immer noch erreichen, nur bist du noch nicht dazu gekommen, dein Füße an die Barfußschuhe zu gewöhnen, ein paar freie Tage für die Fastenkur zu nutzen und abends bist du in letzter Zeit zu müde, um eine intensive Hautpflege Routine durchzuführen.
Werden die Ziele in den nächsten Wochen wieder Priorität bekommen und wirst du dir dann Zeit für sie nehmen, sie wirklich zu einer Priorität machen? Wenn ja, dann plane das jetzt in deinem Terminkalender. Wenn nicht, ist es Zeit Lebewohl zu sagen und zukünftig vor dem Kauf auch zu überlegen, ob du den Weg zum versprochenen Ziel auch gehen wollen wirst.
Jetzt solltest du für dein nächstes Ausmistprojekt gewappnet sein. Wenn es beim Versuch, loszulassen, ein bisschen in der Bauch- oder Herzgegend zwickt, kannst du nun auf Spurensuche gehen. Welches Gefühl macht sich da gerade breit und dient das deinen aktuellen Zielen und Wünschen.
Ich wünsch dir viel Spaß bei der Spurensuche.
Viele ordentliche Grüße
Deine Sarah
Grundideen dieser Auflistung entstammen dem Buch von Karen Kingston - Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags*.
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